Die Demoskopin Anne Köhler, ehemals Dresden, hatte es herausgefunden. Knapp ein Drittel der DDR-Bürger, die Verwandte im Westen hatten, fanden ihre ummauerte Heimat ganz in Ordnung. Mit solchen Erkenntnissen verdienten sie 21 Jahre lang ihre Semmeln (nicht Schrippen oder Brötchen, sie lebte da schon in München).
In einem Staat, in dem Handel und Versorgung größtenteils unter den Ladentischen ablief, waren Westwaren die Währung, die man nicht nur in Ölsardinen, Räucheraal, Kondensmilch, kleinkarierte Schreibblöcke, Zahnbürsten, Zement oder Toilettenpapier eintauschen konnte. Nein, eine Packung Westkaffee lockerte auch dem Leiter des Möbelhauses die Zunge, wann wieder einmal eine Schrankwand (also nicht zwei!) geliefert wird, damit man sich schon vier Uhr früh mit Gewinnchancen anstellen oder auf einem Klappstuhl ansitzen konnte. Natürlich gestalteten Westwaren das DDR-Leben erträglich. Dazu brauchte es keine bezahlte Meinungsforschung.
Die Anzahl der SED-Mitglieder war in der DDR mindestens seit 1965 für jedermann zugänglich. Für deren Ermittlung und verdeckte Bereitstellung Honorare zu verlangen, beweist die Geschäftstüchtigkeit der Firma Infratest. Dass diese Erhebungen vom gesamtdeutschen Ministerium geheim gehalten wurden, kann ich mir nur damit erklären, dass vielleicht Schmiergeldzahlungen der Demoskopen an die staatlichen Auftraggeber wasserdicht vertuscht werden sollten.
Anmerkung: Der Autor verbrachte 24 Jahre seines Lebens im Osten und arbeitete unter anderem als freiberuflicher Dolmetscher für den DDR-Ministerrat, das Hauptquartier der NVA und Margot Honecker. Er erlitt insgesamt zweimal im Morgengrauen beim Anstehen nach Butter und Fleisch einen Kreislaufkollaps, weil er mangels Westverwandschaft kein Schmiermittel zur besseren Versorgung besaß.