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Politische Parteien sind in Wikipedia sehr gut beschrieben: Erst geht es um das Ergreifen der Macht, danach werden Ziele erreicht und Vorteile erlangt. Damit sind sie als Mitspieler einer demokratische Gesellschaft nur sehr bedingt geeignet. Denn in einer Demokratie wird Wenigen Macht über Viele auf Zeit verliehen, damit sich diese Vielen ihren ureigensten Aufgaben widmen können, statt sich auch noch mit dem Entwurf, Aufbau und Betrieb eines Gemeinwesens beschäftigen zu müssen. Die tägliche Gewissensfrage eines machthabenden Demokraten muss deshalb sinngemäß lauten: »Was habe ich heute getan, den Bürgern meines Landes (also auch meinen Nichtwählern) ihr Dasein und ihre Aufgaben zu erleichtern?«

Mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein machthabendes Parteimitglied sich diese Frage gestellt oder gar beantwortet hätte. Denn es »verdankt« seine Funktion einer Partei, muss also zuerst den Hauptzielen derselben dienen: Machterhaltung und Vorteilsgewinnung. Wenn da noch Energie und Gehirnschmalz übrig bleibt, auch noch etwas für die Bürger zu tun, leistet dieser Machthabende Übermenschliches, lebt in ständigem Gewissenskonflikt.

Warum sind dann die Parteien überhaupt noch die Hauptakteure auf der politischen Bühne? Weil es früher extrem aufwendig war (in Geld und Zeit), die Wähler über die Macht anstrebenden Personen und deren Programm zu informieren. Das war nur im Verein zu schaffen, der Partei. Spenden für den Wahlkampf mussten her und damit sank auch die Gewissensfreiheit der Parteikandidaten in große Tiefe.

Das Internet könnte endlich den demokratischen Prozess wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Auf der Seite ichwillmacht.brd.ovh bekommt jeder passiv Wahlberechtigte einen in Größe und Zugriffsgeschwindigkeit festen Platz. Falls er sich beteiligen möchte, muss er bestimmte Pflichtfragen (unter Strafandrohung) wahrheitsgemäß beantworten und seine Person in standardisierter Form darstellen. Während einer dreißigtägigen Wahlkampfperiode hat er sich täglich für 120 Minuten zum öffentlichen, protokollierten Videochat bereitzuhalten. Auch E-Mail könnte in angepasster Form eingebunden werden. Eine spezielle Suchfunktion hilft dem Wähler im Bedarfsfall, Kandidaten nach Kriterien aufzufinden und in persönliche Listen zu gruppieren. Werbung für diese Seite ist in jeder Form verboten.

In einem verifizierten Verfahren registrieren sich die Wähler auf dieser Website. Am Wahltag darf jeder Wähler genau einem Kandidaten seine Stimme geben. Das Wahlergebnis ist in wenigen Sekunden ermittelt: die 500 Kandidaten mit den meisten Stimmen bilden den nächsten Bundestag. Will oder kann jemand die Wahl nicht annehmen, ist der nachrückende Kandidat sofort ermittelt. Sollten zu viele führende Kandidaten die gleiche Stimmanzahl bekommen, gibt es eine Woche Nachwahlkampf mit Stichwahl. Bringt das keine Entscheidung: Losentscheid. Dieser Fall wird allerdings kaum auftreten.

Die letzte herausragende Arbeit des Bundestages alten Zuschnitts wäre, dem neuen, modernen eine erste Geschäftsordnung zu geben. Damit hätten dann die herkömmlichen Parteien der Demokratie einen hervorragenden Dienst erwiesen.

PS. Die Seite ichwillmacht.brd.ovh bleibt natürlich nach der Wahl zu Kontroll- und Kommunikationszwecken online und wird zur folgenden Bundestagswahl wieder für alle passiv Wahlberechtigten geöffnet.

Deutschland: Unser tägliches Unrecht

Allein 2013 gab es weit über 200000 erfolgreiche Widersprüche gegen Hartz-IV-Bescheide. Demnach waren mindestens so viele Bescheide einfach Unrecht. Gehen wir von einer Dunkelziffer von nur 100000 weiteren Widersprüchen aus, die erfolgreich hätten eingelegt werden können, bleiben die entsprechenden Amtsakte auch Unrecht, für immer.

Aber es trifft nicht nur die Bedürftigen. Alljährlich sind in unserem Land weit über 3 Millionen Steuerbescheide nachweisbar falsch, al­so Unrecht.

Wieviel Unrecht an wievielen Menschen muss wie häufig ge­sche­hen, dass unsere Republik den Titel »Unrechtsstaat« verdient? Und warum beziehen unsere Politiker weder im Wahlkampf noch bei Koalitionsverhandlungen klare Stellung und distanzieren sich von dieser Welle – wenn es denn kein Tsunami ist – an Unrecht, die uns alle früher oder später trifft, und versprechen oder schaffen sogar Abhilfe?

Verlangen Vertreter einer Partei A allein von Vertretern einer Partei B, ein verflossenes Land als Unrechtsstaat zu brandmarken und sich davon rückwirkend zu distanzieren, entsteht der Verdacht, dass damit Partei A unser heutiges Unrecht – wenn schon nicht be­för­dert – so doch billigend in Kauf nimmt.

Politik wird erst richtig schwierig, wenn dabei das Recht nicht unter die Räder kommen soll.