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Jennifer Cramblett: Von den Grenzen des Wollens

Wenn einer, weil er sich für ein Huhn hält und unglaubliche Schwierigkeiten mit dem Eierlegen hat, beim Hausarzt auf Be­hand­lung seines Problems drängt, ist sein Weg in die Psychiatrie schon vorgezeichnet. Ein Mensch will Eier legen und gilt deshalb als krank, zumindest psychisch. Das wird wohl von niemandem bestrit­ten.

Doch das Feld des psychisch Kranken verliert zunehmend an Größe und die Aussichten auf neue, Grenzen sprengende Freiheiten sind glänzend.  So führte mein Wollen, eine steuerlich anerkannte Le­bens­gemeinschaft mit meinem Gummibaum einzugehen, zu keinen psychiatrischen Heilungsversuchen an mir. Ich liebe nun mal – rein sensorisch – die glatte Oberfläche der Blätter dieses wundervollen Baumes und möchte ihn deshalb stets um mich haben und ihm ideale Nahrung und optimales Klima bieten. Was erhöhte Ausgaben nach sich zieht, deren steuermindernde Anerkennung mir seit Jahren verweigert wird. Ich fühle mich also stark diskriminiert, vor allem, wenn ich neidvoll eingetragene Lebenspartnerschaften betrachte, die doch (noch) ebenso unfruchtbar zusammen leben wie ich mit meinem Ficus, aber dennoch fortpflanzungsfähigen Ehepaaren in vielem gleichgestellt sind.

Es sind Pioniere wie Jennifer Cramblett, die uns beharrlich und nach­haltig immer neue Freiheitsräume schaffen, damit uns unser Wollen nicht in die Zwangsjacke führt. Diese tapfere Frau vertritt nicht nur als Lesbe einen erweiterten Ehebegriff und möchte selbst­verständlich auch ein Kind »haben«. Nein, sie kämpft sogar – ihren guten Ruf riskierend – für einen gesunden Rassismus, den uns ver­staub­te Fantasiebrem­sen hartnäckig austreiben und damit die Frei­heit nehmen wollen zu bevorzugen, wonach uns der Sinn steht.

Menschen wie diese starke Frau geben mir die Hoffnung, dass ich eines Tages gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten stolz und öf­fent­lich ausrufen kann: »Ich lebe mit einem Ficus und das ist gut so!«